Zeitung (2012-2)

Begibt man sich als geneigter Fan heutzutage an den Kiosk seines Vertrauens, um sich in den aktuellen journalistischen Erzeugnissen über das Saisonfinale der Jupiler League zu informieren, könnte man zu dem Eindruck gelagen, dass kein Verein Meister werden möchte.
Jedenfalls hören sich die Äußerungen der verbliebenen drei Titelanwärter aus Esch, Liège und Gent so an, als gelte es den Abstieg noch zu verhindern.
Mit ihrem auf den Genter (Noch- ?) Trainer deVilde gemünzten Bonmot hat die belgische Ligaleitung die derzeitige Lage trefflich zusammengefasst. Vor dem vorletzten Spiel der Saison setzte jener seinen leidvollen Sermon fort:
"Da wir die beste Abwehr der Liga stellen, muß man sagen, dass wir aus unseren Möglichkeiten wenig angefangen haben. Da ist ein gewisser Herr aus Liège einfach abgezockter, ganz gleich, was er so von sich gibt, ich glaube, die Blumen können wir getrost wieder dorthin schicken.
Von meinen Jungs wünsche ich mir noch zwei Siege zum Abschluss; das wäre schön, dann können wir sagen: 'Wir haben das Unsrige getan' und uns auf die Europa League konzentrieren."

Na ja, so recht wagen wir es noch nicht zu glauben, daß wir unseren Titel verteidigen könnten. Vor einigen Wochen hätten wir es sofort unterschrieben, wenn uns jemand prophezeit hätte, daß wir noch um einen europäischen Startplatz mitspielen würden. Nun stehen wir auf Platz 2 und harren der Dinge. Wir müssen halt zweimal gewinnen, nicht mehr und nicht weniger. Die Gegner heißen Union Luxemburg und KRC Genk. Die Luxemburger halten zusammen, das ist klar. Wir rechnen einfach mal damit, daß sie uns in die Suppe spucken werden und auch Genk wird sich nicht kampflos geschlagen geben. Um das klarzustellen: Natürlich hätte Jeunesse Esch den Titel verdient, da sie fast die ganze Saison vorn standen. Aber auch KAA Gent wäre mal dran. Lassen wir einfach mal das Schicksal entscheiden! Und damit nun Danke an alle für eine wieder mal spannende Saison!

Soweit ist also der europäische Traum nach dem 11. ZAT ausgeträumt und das nach grandiosen Leistungen des KVM.
Im vorletzten Heimspiel der Saison gastierte der Tabellenführer und Topfavorit auf den Titel, Jeunesse Esch, beim KVM. Und das Team von Kollerpoller musste kräftig einstecken und wurde nach einem entfesselten Sturmlauf mit 4:0 geschlagen auf die Heimreise geschickt. Derart beflügelt trat der KVM beim RSC Anderlecht an. Und dort sachten die KVM-Jungs nur an die Offensive und wurden vom Team von Mistere X böse bestraft. Erneut wurden 4 Tore geschossen, die aber nicht reichten, um aus Anderlecht zumindest einen Punkt zu entführen. Mit 5:4 !!! geschlagen trat das Team die Heimreise nach Mechelen an.
Am letzten ZAT kann es nunmehr im Heimspiel gegen den CS Grevenmacher und auswärts beim FC Brügge nur noch darum gehen, in die erste Hälfte der Tabelle zu kommen. Derzeit steht der 7. Tabellenplatz zu Buche und der Abstand auf den Tabellenvierten beträgt lediglich 3 Punkte. Die Reise nach Europa ist also bereits erledigt...
Allerdings ist der Tabellenletzte von CS Grevenmacher immer für eine böse Überraschung gut, wie der KVM in dieser Saison bereits am 8. Spieltag (3:0-Auswärtsniederlage) feststellen musste. Und über den Tabellennachbarn aus Brügge viele Worte zu verlieren, erübrigt sich, denn das Team von Bische hat lediglich einen Punkt weniger als der KVM. Ein enges Match kann also erwartet werden.

Die Titelträume der Jeunesse sind im freien Fall. Nach dem Verspielen einer aussichtsreichen Ausgangssituation geht es ins Saisonfinale - und die Jeunesse dürfte kaum noch eine reale Chance haben, den Titel zu erringen. Zwar steht man noch an der Spitze, aber Verfolger Lüttich hat noch zwei Heimspiele im Finale - sechs Punkte dürften also gebucht sein für den phantasischen Glücksdrachen und seine perlmuttfarbenen Mannen. Aber was will man auch machen gegen einen Gegner, der seine Kontrahenten durch schieres Vertrauen auf das Glück besiegt? Gleichzeitig muss die Jeunesse noch zweimal auswärts ran - und vier Punkte sind wohl das erforderliche Minimum, wenn es am Ende zum Titelgewinn reichen soll. Eine aberwitzige Vorstellung, beachtet man die Auswärtsform der Jeunesse (drei Niederlagen in Folge bei 0:11 Toren). Eigentlich kann man die Titeltrophäe bereits auf einem goldenen Tablett ins ferne Lüttich tragen. Aber wie sagte (oder schrieb) nicht schon dereinst der famose römische Geschichtsschreiber Titus Livius: Nondum omnium dierum solem occidisse. Und am nächsten Morgen kommt sowieso wieder die Sonne. Spätestens.

Das wars anscheinend: der erneute Anlauf auf den Titel der belgischen Jupiler League ist mal wieder vor Tores Schluss gescheitert: die Meisterschaft wird wohl wieder nicht in Gent gefeiert werden. Trotz eines tollen Heimsieges im Spitzenduell gegen Jeunesse Esch konnte der Abstand auf den Tabellenführer nicht signifikant verkürzt werden. Beim Gastspiel in Anderlecht bewies KAAs Sturm erneut seine Qualitäten, während die Abwehrleistung mehr als indiskutabel war.
Dies hat unmittelbare Konsequenzen für den dortigen Trainer: nach Wim deVildes Gastspiel beim Aufsatiegsaspiranten Oud-Heverlee Leuven gab es in der Vereinsführung von KAA schon einige Kritiker.  deVildes Tage in Gent dürften nach einer erneut titellosen Saison gezählt sein, wie Insider vermuten.
Ob das Abschneiden in der Europa League daran noch etwas ändern wird? Mit einem Paukenschlag von zwei Siegen aus zwei Spielen führt KAA derzeit die Zwischenrundengruppe 2 an.

Da hegte der KVM zarte Hoffnungen, den internationalen Wettbewerb doch erreichen zu können und dann so ein Spieltag.
Zunächst fuhr das Team hochmotiviert zum KRC Genk, startete mit dem 1:0 in der 5. Minute fulminant, um dann kurz vor dem Schlußpfiff immerhin noch Ergebniskorrektur zum 2:4 zu betreiben.
In der Hoffnung, im Heinspiel gegen F91 Dudelange 3 Punkte einzufahren, ging es gegen den direkten Tabellennachbarn ins Spiel. Aber auch hier konnte das KVM-Team nicht an die Leistungen der Vorwochen anknüpfen und musste sich letztendlich mit einem zugegebenermaßenen glücklichen 3:3 zufrieden geben.
Damit steht derzeit der 9. Tabellenplatz zu Buche und die Distanz zum Tabellendritten beträgt inzwischen 6 Punkte. Beruhigend immerhin, dass das Abstiegsgespenst sich als abkömmlich erweist und einen großen Bogen um Mechelen macht.
Nun also die beiden Begegnungen gegen Jeunesse Esch, dem designierten Titelträger der Jupiler Pro League und dem Tabellennachbarn, dem RSC Anderlecht. Dabei werden gegen das Team von Kollerpoller aus Esch die Trauben hoch hängen und das Team des RSC wird sicherlich kämpfen, um zu beweisen, dass auch sie der Liga in Europa Ehre bereiten würden.
Auf geht's!

Aber 3.Platz! Das ist die Bilanz eine Woche vor Saisonschluß. Ein Platz in der Europa League wäre damit sicher. Aber noch sind 6 Spiele zu absolvieren und immer noch trennen nur 6 Punkte den 3. vom 9.Platz. Da kann sich noch einiges verschieben. Unsere Hausaufgaben haben wir jedenfalls gemacht und aus den beiden letzten Spielen das Optimum herausgeholt. Das 5:4 gegen den Traditionsclub RSC Anderlecht gehört schon zu den absoluten Sahnespielen dieser Saison. So viele Tore hat Standard Lüttich auf eigenem Platz in der Liga lange nicht mehr geschossen. Und auch der Gegner war wohl nicht auf diese Torlawine eingestellt. Aber der Trainer tat, was ein Trainer tun muß und machte sein Team heiß wie Frittenfett. Danach gelang noch ein 3:1 beim Tabellenletzten aus Grevenmacher. Und plötzlich ist Lüttich Dritter. Ob das so bleiben wird, das weiß man nach den Spielen am Wochenende, wo die Gegner dann Brügge und Antwerpen heißen werden.

Meisterschaften werden thematisiert, geradezu hysterisch versucht die Luxemburger Presse Titelchancen der Jeunesse herbeizuphantasieren - vereinzelt heißt es gar, es sei eine Enttäuschung, wenn am Ende nicht der Titelgewinn stehen würde. Esch-Trainer Kollerpoler kann derlei Äußerungen nichts abgewinnen. "Wir spielen noch dreimal auswärts. Wir verlieren auswärts quasi jedes Spiel, gerade erst gab es in Gent gewaltig einen vor die Omme. Da kann man doch nicht sagen, dass wir gute Titelchancen hätten! Wir schauen nach vorne und nur auf den nächsten Gegner und das nächste Spiel ist immer das schwerste und so weiter und so fort. Und auch zu Hause ist es nicht leicht! Gerade haben wir 6:5 verloren gegen so einen Haufen wunderlicher Tschechen!" Angesprochen darauf, wie er seinem Team nun den Druck nehmen will, der von außen herangetragen wird, äußerte er: "Ich muss es schaffen, dass meine Spieler diese ganzen Zeitungen nicht mehr lesen. Ich habe dazu geplant, ein tiefes Loch zu graben, in das ich die Truppe bis zum nächsten Spiel trainieren lasse, so dass sie ganz unter sich sind. Das ist dann Teambuilding und Trainingslager in einem. Es muss natürlich ein großes Loch sein, ein schönes Loch. Lotrechte Wände, nach innen gewölbte Decke, die den Regen abhalten kann, aber mit Sonneneinstrahlung, damit wir einen satten grünen Rasen anbauen können, auf dem wir uns in der Kunst des Ballspiels üben können. Es wird ein Heidenspaß, dieses Loch zu buddeln!"

Kurz vor Saisonende ist die Jupiler League so ausgeglichen und spannend wie selten. Jeunesse Esch marschiert allerdings einsam Richtung Meistertitel, oder geht da noch was für das Verfolgerfeld? De Standaard sprach mit dem Trainer von KAA Gent, Wim deVilde:

- Herr deVilde, nachdem sie mehr als zwei Monate als verschollen galten, hat man Sie im Kofferraum eines Ford Mondeo im Hinterhof einer miesen Spelunke im Genter Rotlichtviertel gefunden. Was war passiert?
 Gewisse Kräfte, ich nenne sie die "wallonische Verschwörung", üben massiven Einfluss auf den belgischen, aber auch auf den internationalen Fußball aus. Sie sind unter anderem dafür verantwotlich, dass KAA Gent in der letzten Saison in der Qualliphase des Europacups gescheitert ist.
- Haben Sie Beweise?
Nein, aber schauen Sie sich die Ergebnisse mal genau an. Dieselben Verschwörer sorgen unter anderem dafür, dass Oud-Heverlee Leuven sich auf dem letzten Platz der Tweede Klasse befindet. Aber ich muß jetzt erstmal die zurückliegende Zeit verarbeiten. Zum Glück wurde auch während meiner Abwesenheit gut gearbeitet, sodass wir die erneute Qualifikation fürs internationale Geschäft anpeilen können.
- Wie beurteilen Sie die Lage in der Liga?
Das Saisonfinale steht bevor, die Nerven liegen blank. Das sieht man an den Kapriolen der Presse, siehe den Artikel über Jeunesse Esch. Die dort geäußerten Vorwürfe sind natürlich mehr als absurd, darauf muss ich ja gar nicht erst eingehen. Mir ein Störfeuer zu unterstellen, ts ts. Aber das Spitzenspiel steht ja jetzt an, da sind Presse und Fans ja in heller Aufregung und dann kommt halt sowas dabei heraus.
Die guten Wünsche von Fuchur irritieren mich allerdings etwas. Er ist ein absolut fairer Sportmann, doch warum schreibt er sein Team schon ab, obwohl es ja bloß einen Zähler hinter Platz 2 liegt? Ich kann es mir nur so erklären, dass die "Wallonische Verschwörung" auch ihn gekidnapped und durch einen Doppelgänger ersetzt hat.
- Das klingt jetzt allerdings etwas paranoid, finden Sie nicht?
 Möglicherweise. Harren wir einfach der Dinge.

Da hoffte der KVM eben noch, näher an die internationalen Fleischtöpfe zu gelangen und was passiert:
Ein ZAT mit der ersten Heimniederlage, einer heftigen Auswärtsklatsche und einem knappen Heimsieg.
Doch der Reihe nach, wie die Chronistenpflicht gebietet...
Die erste Heimniederlage der Saison mit 2:4 gegen Standard Lüttich. Dabei fuhr Lüttich das gesamte Offensivpotential auf, um den KVM zu bezwingen. Allerdings nicht, ohne dabei immense Reserven für den Saisonendspurt aufzubrauchen. Im Moment eine böse Niederlage für den KVM und ein süßer Sieg für Standard, der sich allerdings zum Saisonende vielleicht als Pyrrhussieg entwickeln könnte.
Anschließend führ der KVM erneut zum KAA Gent. Wie bereits im Auswärtsspiel am 22. Spieltag gab es erneut nichts zu holen und dieses Mal schenkte KAA dem KVM gar 3 Tore ein. Nunmehr ist KAA Tabellenzweiter und am ehesten in der Jupiler Pro League in der Lage, dem Tabellenführer, Jeunesse Esch, die Meisterschaft noch streitig zu machen.
Das letzte Spiel des ZAT gab ein Wiedersehen mit St Truiden V.V. im heimischen Stadion. Wie bereits am 21. Spieltag wiederholte sich das Spielgeschehen und St. Truiden musste erneut geschlagen, erneut mit 3:0 die Heimreise antreten.
Nach diesem Spieltag entwickelt sich die Liga zur belgischen Version von "007", denn schließlich besteht für alle Teams bis Platz 9!!! noch die theoretische Chance auf den belgischen Meistertitel. Der KVM, derzeit auf Platz 7, liegt im Moment nur 2 Punkte hinter dem Tabellenzweiten aus Esch. Allerdings gibt es einige Teams, die durchaus auch berechtgte Ansprüche auf Europa stellen.
Es bleibt interessant!